Wir haben uns in einem früheren Artikel schon Keplers Gesetze angesehen und berechnet, wie sich ein Planet auf seiner Bahn bewegt. Was wir dabei noch nicht berücksichtigt haben, ist, wie die Bahn im Raum orientiert ist. Das wollen wir jetzt nachholen. Unser Ziel wird es sein, die Positionen der Planeten in ein gemeinsames Koordinatensystem umzurechnen. Wir werden auch das Vorwissen aus dem Artikel über Koordinatensysteme benötigen. Lest es ruhig erst einmal nach, ich warte hier auf euch.
Die Bahnelemente
Die Bahn eines Planeten können wir mit sechs Bahnelementen beschreiben. Die ersten drei davon kennen wir bereits.
- Die große Halbachse a beschreibt die Größe der Bahnellipse.
- Die Exzentrizität e beschreibt die Form der Bahn, ihre Abweichung von der Kreisform. Sie beträgt 0 für exakte Kreise und fast 1 für sehr langgestreckte Ellipsen.
- Die mittlere Anomalie M ist der Winkel, den der Planet seit dem letzten Periheldurchgang zurückgelegt hätte, wenn er sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit bewegen würde. Wie man daraus die exzentrische Anomalie E und wahre Anomalie T berechnet, haben wir uns schon angesehen.
Drei weitere Bahnelemente beschreiben die Lage der Bahn im Raum.
- Die Inklination i ist der Neigungswinkel der Planetenbahn zur Ekliptik.
- Die Länge des aufsteigenden Knotens Ω ist der Winkel zwischen Frühlingspunkt und dem aufsteigenden Knoten, dem Punkt, an dem die Planetenbahn die Ekliptik nordwärts überquert.
- Das Argument des Perihels ω ist der Winkel zwischen aufsteigendem Knoten und Perihel.
Das folgende Diagramm fasst das alles noch einmal zusammen. Wir sehen darin ein Stück der Planetenbahn aus der Sicht der Sonne.
![Ein Stück der Planetenbahn aus Sicht der Sonne, dargestellt als diagonale, gerade Linie, dazu ein Stück der Ekliptik als waagrechte, gestrichelte Linie. Der Schnittpunkt ist der aufsteigende Knoten, der Schnittwinkel ist i. Rechts auf der Ekliptik ist der Frühlingspunkt eingezeichnet, links auf der Planetenbahn das Perihel und noch weiter links der Planet. Folgende Strecken sind beschriftet: Frühlingspunkt zum aufsteigenden Knoten: großes Omega, aufsteigender Knoten zum Perihel: kleines Omega, Perihel zum Planeten: T.](https://astromichi.wordpress.com/wp-content/uploads/2024/05/test.png?w=493)
Koordinaten
Wir wollen nun aus diesen Bahnelementen die Position der einzelnen Planeten in einem gemeinsamen Koordinatensystem berechnen. Die Ekliptik soll in dessen x–y-Ebene liegen und die x-Achse soll auf den Frühlingspunkt zeigen.
Aber zunächst einmal gönnen wir noch jedem Planeten sein eigenes Koordinatensystem. Die Planetenbahn liegt in dessen x–y-Ebene und die x-Achse zeigt auf den aufsteigeneden Knoten. Die Polarkoordinaten des Planeten lassen sich dann leicht ermitteln. Der Winkel λ ist einfach nur die Summe ω+T und der Winkel ϕ ist gleich 0. Die üblichen Formeln zur Berechnung der kartesischen Koordinaten vereinfachen sich dadurch.
Die x-Achse liegt bereits in der Ekliptik und wir wollen nun die y-Achse auch in die Ekliptik bekommen. Dazu drehen wir das Koordinatensystem um die x-Achse um den Winkel i.
Nun müssen wir nur noch die x-Achse zum Frühlingspunkt ausrichten. Dazu drehen wir um die z-Achse um den Winkel Ω.
Die so ermittelten Koordinaten sind natürlich heliozentrisch, aber geozentrische Koordinaten lassen sich bei Bedarf auch leicht berechnen.
Anpassung der mittleren Anomalie
Die Planeten stören sich gegenseitig auf ihren Bahnen, deshalb sind ihre Bahnelemente nicht konstant und gelten streng genommen nur für einen bestimmten Zeitpunkt, die „Epoche“. Trotzdem können wir die meisten von ihnen in erster, grober Näherung als konstant annehmen. Die Ausnahme davon ist die mittlere Anomalie, die sich jeden Tag ein bisschen ändert, nämlich 360° geteilt durch die Umlaufzeit des Planeten in Tagen. Falls wir die Umlaufzeit nicht kennen, können wir sie mit Keplers dritten Gesetz ermitteln.
Wenn nun M0 die mittlere Anomalie zur Epoche und t die seit der Epoche vergangene Zeit ist, dann bestimmen wir M(t) wie folgt.
(Wer im Bogenmaß rechnet, ersetzt natürlich 360° durch 2π.)
Das Rechenverfahren
Nach dieser ganzen Vorarbeit können wir nun ein schrittweises Rechenverfahren angeben, das uns von den Bahnelementen zu den Koordinaten führt.
Schritt 1: Aus einer geeigneten Quelle, z.B. JPL Horizons, die folgenden Bahnelemente für eine bestimmte Epoche besorgen:
- Große Halbachse a
- Exzentrizität e
- Inklination i
- Länge des aufsteigenden Knotens Ω
- Argument des Perihels ω
- Mittlere Anomalie M
- (Optional: siderische Umlaufzeit U)
Schritt 2: Anpassung der mittleren Anomalie, falls die Berechnung für einen anderen Zeitpunkt als die Epoche erfolgt.
Falls die Umlaufzeit nicht bekannt ist, kann sie mit Keplers drittem Gesetz ermittelt werden.
Schritt 3: Berechnung der exzentrischen Anomalie mit der Kepler-Gleichung.
Zunächst muss ein Schätzwert für E in die rechte Seite eingesetzt werden, um einen besseren Wert zu erhalten. Das wiederholt man ein paar Mal, bis das Ergebnis gut genug ist. Als ersten Schätzwert kann man z.B. M nehmen. Wichtig ist, hier im Bogenmaß zu rechnen.
Schritt 4: Berechnung der wahren Anomalie.
Schritt 5: Berechnung des Abstands Sonne-Planet.
Schritt 6: Berechnung der heliozentischen, kartesischen Koordinaten.
Schritt 7 (optional): Berechnung der geozentrischen, kartesischen Koordinaten. Dazu die vorherigen Schritte für die Erde wiederholen und:
Schritt 8 (optional): Berechnung der ekliptikalen Länge und Breite.
Bei der Anwendung des Arkustangens muss gegebenenfalls der Quadrant korrigiert werden, je nachdem, ob Zähler und Nenner positiv oder negativ sind.
Zähler | Nenner | Korrektur |
+ | + | |
+ | – | +180° |
– | – | +180° |
– | + | +360° |
Schritt 9 (optional): Umrechnung in Rektaszension und Deklination.
Mit ε ist die Schiefe der Ekliptik gemeint, sie beträgt ungefähr 23,5°. Beim Arkustangens ist wieder auf den richtigen Quadranten zu achten.
Beispielrechnung
In der folgenden Tabelle sind die Größen a bis U, gegeben, der Rest berechnet. Die Bahnelemente sind gültig für den 1. Januar 2000, 12 Uhr Weltzeit. Die Berechnung erfolgt für den 10. April, 100 Tage später.
Größe | Erde | Mars |
a | 1,000449 AE | 1,523679 AE |
e | 0,017119 | 0,093315 |
i | 0,000418° | 1,849876° |
Ω | 135,080718° | 49,562006° |
ω | 326,728219° | 286,537383° |
M0 | 358,617256° | 19,356483° |
U | 365,502284 Tage | 686,971273 Tage |
M(t) | 457,111853° | 71,760421° |
E | 458,082934° | 76,969305° |
T | 99,052896° | 82,241479° |
r | 1,002857 AE | 1,491621 AE |
x | -0,937112 AE | 0,782989 AE |
y | -0,357133 AE | 1,269569 AE |
z | 0,000007 AE | 0,007349 AE |
xgeo. | 1,720101 AE | |
ygeo. | 1,626702 AE | |
zgeo. | 0,007342 AE | |
rgeo. | 2,367480 AE | |
λgeo. | 43,401474° | |
βgeo. | 0,177689° | |
αgeo. | 2,725217h | |
δgeo. | 16,070842° |
Fazit
Die Genauigkeit dieser Methode sollte man nicht überschätzen. Die gegenseitigen Störungen der Planeten sind noch überhaupt nicht berücksichtigt. Aber für eine grobe Berechnung sollte es genügen.
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